Wer Katja fragt, warum sie vor zwanzig Jahren Sozialpädagogik studiert hat, dann war ihre Antwort stets: Ich will Menschen helfen. Genau das hat sie bei ihrer jahrelangen Tätigkeit in der Suchthilfe getan. Sie startet voller Elan neue Projekte bei dem gemeinnützigen Träger, bei dem sie angestellt ist. Doch seit mehreren Monaten nun nimmt ihr Eifer ab. Sie ist oft müde und abgespannt, schleppt sich durch die Arbeitswoche. Für Kollegen und Klienten hat sie immer öfter nur noch bittere Worte übrig. Die Arbeit, die ihr einst so viel Sinn geschenkt hat, ist zur kaum mehr bewältigenden Last geworden. Katja ist ausgebrannt.
Wenn Monika ihrer 86jährigen Mutter am Morgen das Frühstück bringt weiß sie nie, in welcher Verfassung sie diese antreffen wird. An guten Tagen hat sie ein Lächeln für sie übrig und nennt sie Gisela, so wie ihre jüngere Schwester, die sie im Krieg verloren hat. An schlechten Tagen beschuldigt sie ihre Tochter des Diebstahls und schlägt ihr den Löffeln mit den Frühstücksflocken aus der Hand. Monikas Mutter hat Alzheimer. Sie wird von ihrer Tochter gepflegt, die sich eigentlich nicht beschweren möchte – schließlich hat ihre Mutter auch immer alles für sie getan. Doch seit einiger Zeit weiß Monika, dass sie nicht mehr lange durchhalten wird. Monika ist ausgebrannt.
„Burnout“ – ein unklarer Begriff
Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO erfüllt nur eine der beiden Frauen die Merkmale eines Burnouts. In der Neuauflage der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten, kurz ICD-11, die 2022 in Kraft treten soll, wird Burnout als Syndrom beschrieben, das aus chronischem Stress am Arbeitsplatz hervorgeht, der nicht erfolgreich bewältigt wurde. Im bisherigen Katalog war Burnout lediglich als Zustand beschrieben, der in „Problemen mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung“ gründet. Beide Fassungen lassen Fragen unbeantwortet: Wo liegen die Unterschiede zwischen Burnout und Depression? Wann kann der behandelnde Arzt eingreifen und vor allem: Wie?
Dr. Margarete Liebmann ist Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie und Chefärztin der Transkulturellen Akutstation im AMEOS Klinikum Inntal in Simbach/Inn und kennt die Anzeichen von Burnout sehr gut: „Was Patienten mit Burnout verbindet ist die große Begeisterung für etwas, sei es ein Projekt in der Arbeit oder ein Hobby. Letztendlich werden die hohen Erwartungen, die damit einhergehen, aber enttäuscht. Die Anerkennung bleibt aus: Ein Gefühl der Ernüchterung tritt ein.“ Was dann folgt sind Abwehrprozesse: „Die Patienten gehen dann verstärkt auf Abstand zu ihren Kollegen und zu ihrer Arbeit. Sie werden zynisch, unzugänglich, wirken oftmals arrogant und kalt.“
Keine „Managerkrankheit“
Die Verengung der Burnout-Definition auf den Bereich der Arbeitswelt hält Frau Dr. Liebmann für problematisch: „Damit werden andere Lebensbereiche wie z.B. Familie oder Ehrenamt außen vor gelassen. Dabei sind diese Personengruppen nicht weniger gefährdet – im Gegenteil: Früher wurde Burnout als „Managerkrankheit“ beschrieben, was aber ein Trugschluss ist: Es hat sich gezeigt, dass Menschen, die mehr Kontrolle über ihre Tätigkeiten haben, die sich ihre Zeit freier einteilen können, besser geschützt sind vor Burnout. Menschen hingegen, die wenig Gestaltungsspielraum und Mitspracherecht haben wie z.B. Schichtarbeiter oder pflegende Angehörige sind wesentlich gefährdeter.“
Vorbeugen statt Behandeln
Nur wer brennt, kann ausbrennen. Darin liegt auch die Chance einer überarbeiteten Definition in der ICD-11: „Wir Ärzte und Therapeuten könnten bei den ersten Anzeichen eines Burnouts noch gut mit den Patienten arbeiten. Da deren Elan im Grunde groß ist würden Psychotherapie und Entspannungsmethoden hier viel eher greifen. Prophylaxe ist das Stichwort. Im Moment kann ich Burnout aber erst behandeln, wenn es schon zur mittelgradigen Depression fortgeschritten ist. Es ist erst dann eine Kassenleistung, wenn eine psychische Störung vorliegt. Hier müsste die WHO meiner Meinung nach nachbessern.“
In der Balance bleiben
Wie kann man sich denn nun vor dem Ausbrennen schützen? Tatsächlich gibt es eine ganze Reihe leicht umsetzbarer Maßnahmen, die sich in den (Arbeits-)Alltag integrieren lassen. Dazu gehören u.a. eine gesunde Ernährung, Aufgaben delegieren lernen und regelmäßige Pausen.
Auch das Erlernen und Praktizieren einer Entspannungsmethode kann einem Burnout vorbeugen: „Leider sind unsere Phasen der An- und Entspannung nicht mehr in der Balance. Durch Arbeitsverdichtung und ständige Erreichbarkeit befinden wir uns in einem Zustand des permanenten Angeregtseins. Auf Dauer macht das krank.“ Frau Dr. Liebmann empfiehlt hierzu eine simple Übung aus der der progressiven Muskelentspannung: „Wir bauen zunächst eine hohe Spannung im rechten Arm auf, ballen dazu auch die Faust. Nach ein paar Sekunden lassen wir die Spannung los und fühlen ganz bewusst die Entspannung – wohltuend und beruhigend. Und genau dieses Gefühl müssen wir auch unserem Geist gönnen!“