Seit über 30 Jahren behandeln die Mitarbeitenden der Psychotherapie des AMEOS Klinikums Haldensleben Patienten mit Depressionen. Die Station war die erste Depressionsstation in der ehemaligen DDR.

Wir sprachen mit der Oberärztin Dr.med. Andrea-Ulrike Jendrny zu Symptomen, Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten von Depressionen.

Dr. Jendrny, man nennt die Depression auch die „leise Krankheit“. Wie hoch schätzen Sie die Zahl derer, die erkrankt sind, sich aber nicht in ärztliche Behandlung begeben?

Momentan gibt es in Deutschland etwa 5,3 Millionen Erkrankte. Experten gehen davon aus, dass die Dunkelziffer weitaus höher, zwischen zehn und 20 Millionen liegt.

Welche Symptomen oder Anzeichen sind typisch für eine Depression?

Hauptsymptome sind neben der depressiven Stimmungslage Antriebslosigkeit, Müdigkeit oder Energieverlust sowie Freudlosigkeit und Interesselosigkeit.

Weitere mögliche Symptome sind Schlaf- und Appetitstörungen, Schmerzen, Konzentrationsstörungen, Schuldgefühle, Versagensängste, Insuffizienzerleben, sozialer Rückzug und Suizidgedanken. Die Symptomatik besteht länger als zwei Wochen. Je nachdem wie viele Hauptsymptome und Zusatzsymptome auftreten, sprichen wir von leichter, mittelgradiger oder schwerer Depression.

In welchen Formen tritt eine Depression auf?

Es gibt die gehemmt depressive Form mit Antriebsdefizit und Denkstörungen und die agitiert depressive Form. Bei dieser ist der Patient klagend, ratlos und unruhig. Bei der somatisierten Depression stehen körperliche Beschwerden im Vordergrund und bei der wahnhaften Depression können Verarmungswahn, Schuldwahn und Versündigungswahn auftreten.

Gibt es Menschen, die eher gefährdet sind, an einer Depression zu erkranken als andere? Sind Männer und Frauen gleichermassen betroffen?

Wenn Eltern und Geschwister unter Depressionen leiden, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit selbst zu erkranken um das Dreifache. Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer.

Was sind die häufigsten Ursachen oder Risikofaktoren für eine Depression?

Eine Depression entwickelt sich meist aus vielen Ursachen heraus. Unsere Gene beeinflussen dies bereits.  Risikofaktoren sind auch tragische Lebensereignisse, körperliche Erkrankungen, Stress oder Erleben von Hilflosigkeit und Kontrollverlust.

Welche Therapien sind ratsam?

Es gibt eine Vielzahl von Behandlungsmöglichkeiten. Eine grosse Rolle spielen Medikamente, Psychotherapie, Entspannungsverfahren, Lichttherapie, Sport- und Ergotherapie. Unter stationären Bedingungen bieten wir für die Patient*innen ein sogenanntes komplextherapeutisches Programm an. Spezialbehandlungen wie tiefe Hirnstimulation, Vagusnervstimulation, repetitive transkranielle Magnetstimulation oder Elektrokrampfbehandlung werden in Unikliniken angeboten.

Wie hoch ist die Gefahr eines Rückfalls?

Die Rückfallgefahr hängt von den Ursachen der Depression und den Bewältigungsmöglichkeiten des Betroffenen ab. Um einem Rückfall vorzubeugen, empfiehlt man bei einer antidepressiven medikamentösen Einstellung, das Antidepressivum mindestens sechs, besser zwölf Monate zu geben. Wenn der Patient bereits mehr als zwei depressive Episoden hatte oder eine positive Familienanamnese aufweist, ist die weitere Einnahme des Antidepressivums auch noch nach einem Jahr ratsam.

Was können Angehörige tun, wenn jemand in ihrem direkten Umfeld an Depressionen leidet?

Wichtig ist es, den Betroffenen vorurteilsfrei zuzuhören, sie in ihrer Not ohne Vorwürfe anzunehmen und ihnen Mut zu machen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen und die Depression nicht als persönliches Versagen zu sehen.

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Text: Yvonne Eichelmann

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Eine Depression kann jeden treffen. Dann braucht es eine helfende Hand - die reichen wir Ihnen. Hier finden Sie eine Liste von Einrichtungen der AMEOS Gruppe, an die Sie sich bei Depressionen wenden können.