Klagen über Ein- und Durchschlafstörungen sowie entsprechende Beeinträchtigungen der Tagesbefindlichkeit sind in der ärztlichen Praxis ein häufig anzutreffendes Problem.
Detektivarbeit zur Auflösung von schweren und lang andauernden Insomnien
Im klinischen Alltag erweisen sich diese Beschwerden oft als „Vorzeigesymptome“. Sie sind mit psychischen und physischen Begleiterscheinungen verzahnt, die die Schlafstörung verursachen, verstärken oder chronifizieren. Dahinter können sich ernsthafte Störungen, wie schwere Depressionen, Angsterkrankungen oder traumatische Erfahrungen, verbergen. Vielen Menschen fällt es leichter, von einer Schlafstörung als von jahrelangen depressiven Symptomen mit Suizidgedanken zu sprechen. Oder sie haben sich mit ihren grüblerischen, sorgenvollen Gedanken im Rahmen einer generalisierten Angststörung abgefunden und erst die sich verstärkende Insomnie lässt sie Hilfe suchen. Oft stecken hinter den über Jahre behandlungsresistenten Insomnien auch anamnestisch schwer erkennbare Atem- oder Beinbewegungsstörungen. In der Regel können auf der körperlichen und der psychischen Ebene mehrere Faktoren eine Rolle spielen.
Folgen von Insomnien
Epidemiologische Studien zeigen, dass Insomnien häufig einen chronischen Verlauf entwickeln können. Als Folge davon ist die Fehlerquote bei der Arbeit und im Verkehr erhöht und damit die Gefahr von Arbeitsabsenzen und müdigkeitsbedingten Unfällen. Betroffene greifen häufig zur Selbstmedikation von freiverkäuflichen Präparaten oder zu Alkohol. Längsschnittuntersuchungen belegen, dass unbehandelte Insomnien einen hohen Risikofaktor für die Entwicklung von Depressionen haben. Die geschätzten volkswirtschaftlichen Kosten von Insomnien sind enorm.
Teufelskreis für Ein- und Durchschlafstörungen
Psychophysiologische Faktoren setzen einen Teufelskreis in Gang (Abb. 1). Diese können als die Ursache für Schlafstörungen oder eine zusätzliche Komplikation bei Schlafstörungen anderer Genese sein. Zu Beginn stehen oftmals körperliche Symptome, wie Schmerzen oder belastende Lebensereignisse, auf die die Menschen aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur unterschiedlich reagieren, z. B. mit erhöhter Anspannung oder mit Neigung zu Ängstlichkeit oder Depressivität. Dies führt zu einer erhöhten Aktivierung. Auf kognitiver Ebene zeigen Insomniker eine verstärkte Grübelneigung, oft besetzt mit negativen Gedanken über Alltägliches oder über die negativen Konsequenzen des Nicht-schlafen-Könnens. Dies wiederum erhöht die Aktivierung auf emotionaler und körperlicher Ebene, sodass ein Abschalten fast unmöglich ist. Die Menschen können nicht einschlafen oder nach nächtlichen Wachperioden nicht wiedereinschlafen. Daraus entstehen oftmals ungünstige Schlafgewohnheiten. Die Betroffenen liegen zu lange wach im Bett, und das Gedächtnis verknüpft das „Bett“ auf Dauer nicht mehr mit Erholung und Schlaf. Viele zeigen ausserdem ein ausgeprägtes Vermeidungsverhalten, verlängern ihre Bettzeiten oder versuchen, den Schlaf am Tag nachzuholen.
Eine nichtmedikamentöse Behandlung
Eine nichtmedikamentöse Behandlung der Insomnie setzt auf alle diese vorgenannten Faktoren. Durch die Einführung einer Bettzeitverkürzung zur Erhöhung des Schlafdrucks und das Aufsuchen des Bettes nur zu Schlafzwecken sollen wieder positive Assoziationen zwischen der Schlafumgebung und dem Schlaf erarbeitet werden. Die Entspannung wird durch Progressive Muskelentspannung und die Visualisierung eines Ruhebildes hergestellt. Und ein besonderes Augenmerk gilt den dysfunktionalen Kognitionen, die schlafhindernd sein können. Dabei wird die metakognitive Ebene als ebenso wichtig erachtet. Oftmals sind sich die Patient*innen über die Funktion und Konsequenzen ihres Grübelns nicht bewusst. Sie missverstehen dies vielfach als Problemlösestrategie, sodass adaptivere Bewältigungsmechanismen erarbeitet werden müssen.
Schlafmythen korrigieren
Angst, falsche Erwartungen und Frustration über schlechten Schlaf werden mittels Psychoedukation gelöst. Sich an Schlafmythen zu orientieren, ist nicht förderlich. Dabei handelt es sich um Vorstellungen, wie Schlaf sein sollte, die jedoch nicht mit dem schlafmedizinischen Wissen übereinstimmen. Gesunder Schlaf variiert von Mensch zu Mensch. Schlaf, Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit hängen zwar eng miteinander zusammen, durch schlechten Schlaf entstehen jedoch höchst selten unmittelbar körperliche Erkrankungen. Darüber hinaus ist es unmöglich, jede Nacht gut zu schlafen. So haben auch gute Schläfer*innen schlechte Nächte, und wir alle werden mehrfach in der Nacht wach, zumeist, ohne es zu bemerken. Und wenn wir es doch bemerken, weil wir länger als drei Minuten wach sind, ist es entscheidend, dass wir lernen, entspannt mit diesen Wachphasen umzugehen.
Autorin: Dr. phil. Eva Birrer, Fachpsychologin für Psychotherapie FSP/Somnologin SGSSC/DGSM
Das AMEOS Seeklinikum Brunnen wurde am 1. Januar 2015 eröffnet und fokussiert sich auf die stationäre Behandlung von psychischen Störungen, wie Burnout und Depressionen, sowie die ambulante und stationäre Behandlung von Schlafstörungen. Unser ganzheitliches Behandlungskonzept basiert dabei auf der breiten fachärztlichen Kompetenz in den Bereichen Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Innere Medizin sowie Schlafmedizin. Dies wird durch ein sorgfältig abgestimmtes Angebot an komplementärmedizinischen Therapien ergänzt. Unser Schwerpunkt liegt dabei auf der Traditionellen Chinesischen Medizin, ergänzt durch Therapien wie Lichttherapie, Feldenkrais und Cranio-Sacral-Therapie.