Vorsorge ist wichtig – genau diese wird aber von vielen Personen seit Beginn der Pandemie vernachlässigt. Grund dafür ist die Angst, am Covid-19-Virus zu erkranken. Studien belegen, dass die Zahl der Menschen, die an Herz-Kreislauf-Erkrankungen gestorben sind, während des Lockdowns gestiegen ist. Man vermutet, dass diese Patient*innen sich zu spät in Behandlung gegeben haben. Auch in Umfragen gaben viele Menschen an, Vorsorgeuntersuchungen verschoben zu haben.
Dabei ist die Angst vor dem Krankenhaus unbegründet: Covid-19-Patient*innen werden strikt isoliert behandelt von anderen Patient*innen. Ausserdem gelten strenge Hygienevorschriften in Krankenhäusern, um die Verbreitung des Virus einzudämmen. Wir haben mit dem Ärztlichen Direktor und Chefarzt der Klinik für Innere Medizin des AMEOS Klinikums Haldensleben, Dr. Wieland Schulze, über seine Eindrücke gesprochen. Er warnt davor, andere Krankheiten vor Corona in den Hintergrund treten zu lassen.
Welche Rolle spielen verspätete Diagnosen, Therapieverzögerungen und nicht wahrgenommene Vorsorgeuntersuchungen in Zeiten von Corona?
Wir sehen aktuell immer häufiger eine verspätete Wahrnehmung der typischen Herz-Kreislauf-Symptome bei den betreffenden Patient*innen. Das Hauptaugenmerk der Bevölkerung liegt derzeit, auch durch die Medien forciert, auf Corona und den damit verbunden Symptomen. Typische Symptome wie z.B. Angina pectoris, Belastungsdsypnoe und Herzrhythmusstörungen werden dennoch von gut informierten Patient*innen wahrgenommen und entsprechend eingeschätzt. Sie stellen sich zum Glück auch weiterhin in den Krankenhäusern vor.
Auf Grund einer gut strukturierten Vorgehensweise kommt es im Versorgungsbereich der AMEOS Klinika zu keiner Verzögerung der krankheitsspezifischen Diagnostik und Therapie. Dennoch stellen zunehmende personelle Engpässe durch Covid-Erkankungen bzw. Quarantänen beim Personal eine besondere Herausforderung dar. Umso wichtiger ist es im Arbeitsprozess die hausinternen Hygieneregeln strikt umzusetzen. Mit zunehmender Belastung des Gesundheitssystems durch Covid-Patienten kann es jedoch in naher Zukunft zu Terminverschiebungen bei elektiven Untersuchungen und Absagen, auch durch die Patient*innen selbst kommen. Umso wichtiger ist es, in jedem Einzelfall die Patient*innen auf spezifische Symptome hinzuweisen und dazu anzuhalten bei entsprechenden Beschwerden das Krankenhaus aufzusuchen oder den Rettungsdienst zu alarmieren.
Was hat sich seit Beginn der Pandemie für Sie und Ihre Patienten konkret verändert?
Der Arbeitsumfang ist deutlich grösser geworden, bedingt allein schon durch die umzusetzenden Hygienemassnahmen. Inhaltliche Veränderungen bei der Diagnostik und Therapie gibt es nicht, weiterhin behandeln wir leitlinienkonform.
Der aktuelle Zustand könnte sich jedoch ändern, wenn es zu einer Überbelastung der vorhandenen Kapazitäten des Gesundheitssystems in unserer Region kommen würde, wie Beispiele aus Thüringen und Sachsen aktuell zeigen.
Wie oft sollte man eine kardiologische Vorsorgeuntersuchung machen? Welche Personen sollten diese Untersuchung auf keinen Fall verpassen?
Bei noch nicht erkrankten Personen sollte ab dem 45. Lebensjahr mindestens 1x jährlich eine Untersuchung auf Bluthochdruck, Fettsoffwechselstörungen und Gefässveränderungen erfolgen. Dies ermöglicht den rechtzeitigen Beginn einer Therapie und eine Verschiebung der erkrankungsbedingten Folgeschäden so weit wie möglich in ein höheres Lebensalter.
Patient*innen mit kardiologischen Vorerkrankungen sollten je nach Art der Erkrankung halbjährliche oder jährliche Untersuchungen erhalten. Das genaue Vorgehen wird im Einzelfall durch den behandelnden Kardiologen festgelegt.
Zögern Sie also nicht, Ihre Termine zur Vorsorge wahrzunehmen. Nehmen Sie vorher telefonischen Kontakt auf und sprechen Sie Ihre Sorgen gerne offen an. Nur so können Ihre Fragen beantwortet werden.
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Dr. Wieland K. Schulze ist seit vielen Jahren Chefarzt der Klinik für Innere Medizin und Ärztlicher Direktor des AMEOS Klinikums Haldensleben. Nahezu 40.000 Menschen behandelt das Klinikum jährlich auf den somatischen und psychiatrischen Stationen. Rund 650 Mitarbeitende kümmern sich dabei um das Wohl der Patient*innen.