Physiotherapeutische Interventionen bei Inkontinenz

Physiotherapie ist bei Belastungsinkontinenz effektiv und sehr wirksam. Wichtig dabei sind erfahrene Therapeuten, die sich mit dem Thema intensiv beschäftigt haben. „Klassisches Beckenbodentraining ist längst überholt und bedarf einer Anpassung“, sagt Daniel Van Gielle Ruppe, Teamleiter der Physiotherapie am AMEOS Klinikum Seepark Geestland.

Am Anfang der Therapie steht immer eine Wahrnehmungsschulung. „Dann beginnen wir mit einer Verbesserung der Beckenmobilität über Minibewegungen. Erst dann folgen Kräftigungsübungen. Wir wissen inzwischen, dass der Rumpf- und Beinbereich den Beckenboden beeinflusst und sogar zur Kompensation beitragen kann, daher sollten diese Funktionen und Strukturen in den Befund und die Behandlung mit einbezogen werden“, so der Physiotherapeut.

Beckenboden, Zwerchfell sowie Bauch- und Rückenmuskulatur im Verbund zu trainieren, ist ebenfalls sinnvoll. Hier gibt es eine Reihe leichter Übungen, die sich gut in den Alltag integrieren lassen. Wichtig ist, die Betroffenen in ihrer Gesamtkompetenz zu einem möglichst physiologisch gesunden Verhalten zurückzubringen und eine automatisierte Beckenbodenaktivität zu erreichen. Ausdauer, Bewegungsverhalten und mentale Kompetenz werden dabei individuell in der Behandlung berücksichtigt.

Grundspannung in den Alltag integrieren

Die Betroffenen benötigen Informationen über ihren Körper und die Zusammenhänge. So kann z.B. beim aufrechten Sitzen fast 25 Prozent der maximal möglichen Beckenbodenmuskelspannung nachgewiesen werden. „In entspannter, angelehnter Haltung sind es nur ca. sieben Prozent“, erklärt Van Gielle Ruppe. „Daher empfehlen wir den Betroffenen, mit einer Grundspannung im freien aufrechten Sitz zu üben, da dieser ideale Reiz sich oft und über eine lange Zeit in den Tagesablauf integrieren lässt.“ Die erlernten Anspannungen werden anschließend in andere Alltagsbewegungen integriert.

Biofeedback-Geräte

„Zu den individuellen Maßnahmen gehört bei uns auch der Einsatz von sogenannten Biofeedback-Geräten“, so Van Gielle Ruppe. „Hierbei verbinden wir die eigene Bewegung mit einer Elektrostimulation. Zunächst spannen die Betroffenen dabei ihre Muskulatur an ‒ bereits der Gedanke an eine Bewegung führt zu einer Aktivitätserhöhung in der angesprochenen Muskulatur. Diese Erhöhung wird mittels Klebeelektroden an das Gerät weitergeleitet, woraufhin die Bewegung durch eine Elektrostimulation vom Gerät vollendet wird. Der initiierte Befehl wird als erfolgreich ausgeführt an das Gehirn zurück gemeldet.“

Mit diesen Trainingsmethoden sorgen Heben und Tragen sowie Husten und Niesen nicht mehr für unangenehme Überraschungen.