Welche Therapiemaßnahmen helfen können
Viele Menschen leiden unter diesem Problem, dennoch bleibt Harninkontinenz in der Öffentlichkeit ein Tabuthema, das mit großem Schamgefühl einhergeht. Viele Betroffene suchen trotz körperlicher Beschwerden, psychischer Probleme und Schwierigkeiten im Alltag keinen Arzt auf. Schätzungen zufolge leiden in Deutschland mehr als neun Millionen Menschen unter Harninkontinenz.
Unter Harninkontinenz verstehen Mediziner die unzureichende oder fehlende Fähigkeit, den Urin in der Harnblase zu halten. Dabei kommt es immer wieder zu plötzlichen, nicht kontrollierbaren Urinverlusten. Es handelt sich entweder um kleinere Urinmengen oder die vollständige Entleerung der Harnblase. Je nach Schweregrad beeinträchtigt Harninkontinenz das familiäre Zusammenleben sowie das Freizeit- und Berufsleben.
Belastungsinkontinenz bei Frauen und Männern
„Die Belastungsinkontinenz ist eine der häufigsten Harninkontinenzformen“, erklärt Dr. med. Marius Bolten, Chefarzt der Klinik für Urologie und Kinderurologie am AMEOS Klinikum Seepark Geestland. Frauen sind dabei weit häufiger betroffen als Männer. Ohne spürbaren Harndrang kommt es bei körperlicher Anstrengung wie Heben, Tragen, Niesen und Husten zu einem unwillkürlichen Urinverlust.
Bei Frauen kann es aufgrund von Geburten, gynäkologischen Operationen und Alterungsprozessen, aber auch durch Übergewicht und Bewegungsmangel zu Schäden im Bereich des Beckenbodens kommen. Bei Männern führt häufig eine Schädigung des äußeren Blasenschließmuskels im Rahmen einer Unterleibsoperation, z.B. infolge einer Krebserkrankung oder Vergrößerung der Prostata, zur Belastungsinkontinenz.
Individuell abgestimmte Behandlung
Harninkontinenz kann auf verschiedene Arten therapiert werden. „Jede Behandlung der Harninkontinenz wird individuell auf die Betroffenen abgestimmt, je nach Auslöser des Problems, dem Maß der Beschwerden und den persönlichen Lebensumständen“, so der Chefarzt.
Zur Behandlung der Inkontinenz steht ein breites Spektrum konservativer und operativer Therapieoptionen zur Verfügung. In der operativen Therapie ist die minimal-invasive Schlingenchirurgie mittlerweile der Goldstandard. Hierbei setzt der Operateur eine Kunststoff-Schlinge zur Unterstützung der körpereigenen Haltestrukturen zur Stabilisierung der Harnblase ein. Für die Behandlung männlicher Harninkontinenz stehen solche Verfahren mittlerweile auch zur Verfügung.
Therapien abseits von Operationen
Zu den konservativen Therapieformen gehören vor allem Medikamente, Toilettentraining und Beckenbodenübungen. Zudem bieten Apotheken und Sanitätshäuser eine Reihe von Inkontinenz-Hilfsmitteln an. Patienten sollten sich vor dem Kauf von einem Arzt beraten lassen, um das richtige Hilfsmittel zu finden.
Durch fachgerechte Diagnostik und fundierte Beratung haben heutzutage alle Betroffenen die Chance auf eine individualisierte Behandlung mit guten Erfolgsaussichten und deutlicher Verbesserung der Lebensqualität.
Probleme nicht verschweigen
„So unangenehm die Erkrankung auch ist – in vielen Fällen lässt sie sich gut behandeln oder zumindest lindern“, betont Dr. Bolten. „Wenn Patienten offensiv damit umgehen und sich einem Arzt anzuvertrauen, kann gemeinsam eine Lösung für das Problem gefunden werden.“