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Inkontinenz nach der Geburt: Immer noch ein Tabuthema.

Wenn es um das Thema „Blasenschwäche“ geht, dann denkt man sicher zuerst an ältere Frauen. Das stimmt im Prinzip auch. Aber eine Harninkontinenz – so der Fachbegriff – ist auch bei jüngeren Frauen gar nicht so selten. Und gerade Schwangerschaft und Geburt zählen zu den Hauptrisikofaktoren. Noch sechs Monate nach der Entbindung beklagen etwa 30 Prozent der Frauen einen unwillkürlichen Harnverlust in unterschiedlichem Ausmaß.

Der Beckenboden der Frau hat zwei völlig entgegengesetzte Funktionen zu erfüllen: Einerseits soll er Stabilität für die Organe im kleinen Becken geben und dafür sorgen, dass die Schließmuskeln von Blase und Darm sicher funktionieren. Andererseits soll da aber auch Platz für eine Geburt sein – in gewisser Hinsicht ein Dilemma.

Gelöst wird diese Aufgabe durch den Aufbau des Beckenbodens. Er besteht aus drei gegeneinander verschieblichen Muskelschichten, die bereits in der Schwangerschaft hormonell gesteuert elastischer werden und dann beim Durchtritt des Köpfchens extrem gedehnt und kulissenartig auseinandergedrängt werden, eine enorme Belastung des Halteapparates. Überdehnung, aber auch Muskelein- oder Abrisse oder Schädigungen an den zugehörigen Nerven können dazu führen, dass die Schließmuskelfunktion nach einer Geburt gestört ist.

Warum betrifft es nur einige Frauen – gibt es Risikofaktoren?

Ja, die gibt es durchaus! Manche Frauen haben eine genetisch veranlagte „Bindegewebsschwäche“, daran lässt sich nichts ändern.

  • Ein fortgeschrittenes Alter der Mutter zum Zeitpunkt der Geburt spielt eine Rolle, das ist zunehmend ein Problem. Denn 45 Prozent der Frauen bekommen ihr erstes Kind erst im Alter zwischen 30 und 39 Jahren.
  • Frauen, bei denen eine Inkontinenz bereits während der Schwangerschaft auftritt, haben ein höheres Risiko, dass dies auch nach der Geburt weiter der Fall sein wird.
  • Zu den Risikofaktoren zählt auch ein hoher BodyMassIndex (BMI) vor der Schwangerschaft sowie, zum Zeitpunkt der Geburt, ein damit oft zusammenhängender Schwangerschaftsdiabetes.
  • Auch der Nikotinabusus wirkt sich negativ aus.
  • Natürlich ist auch das Geburtsgewicht des Kindes ein ganz entscheidender Faktor. Je schwerer das Kind, desto eher manifestiert sich ein Schaden bei der Kontinenzfunktion der Harnblase. In Deutschland sind Neugeborene besonders schwer, im Durchschnitt 3.480 Gramm.
  • Es gibt auch gefährlichere Gebärpositionen in Bezug auf die Entstehung einer späteren Inkontinenz. So erhöht sich das Risiko besonders bei einer Entbindung auf dem Gebärhocker. Seitliche Gebärpositionen oder die Entbindung in Knie-Ellenbogenlage wirken dagegen eher protektiv.
  • Auch die Dauer der Austreibungsperiode ist entscheidend. Durch lange Pressphasen erhöht sich das Risiko für eine postpartale Harninkontinenz ebenfalls erheblich, selbst wenn es am Ende zu einem Kaiserschnitt kommt.
  • Seit vielen Jahren ist auch klar, dass eine vaginale Geburt im Vergleich zum Kaiserschnitt etwas häufiger mit einer Inkontinenz einhergeht. Besonders traumatisch für den Beckenboden ist die vaginal-operative Entbindung, also eine Entbindung mit Hilfe der Saugglocke oder – noch risikoreicher – mit einer geburtshilflichen Zange.

Sollte man dann nicht allen Frauen zu einem Kaiserschnitt raten?

Definitiv nein! Ein Kaiserschnitt ist ein operativer Eingriff, der auch mit bestimmten Risiken verbunden ist.  Aber auch nach einer Sectio ist das Risiko einer Beckenbodenschädigung mit Inkontinenz deutlich höher als bei den Frauen, die gar kein Kind geboren haben. Das bedeutet, dass allein die neun Monate der Schwangerschaft den Beckenboden erheblich belasten. Hier gilt es also, unbedingt 

Ziel ist es, bereits frühzeitig in der Schwangerschaft die Frauen zu identifizieren, die ein höheres Risiko für eine Beckenbodendysfunktion haben. So sollte man beispielsweise etwas ältere Frauen mit einer vielleicht bereits bestehenden Harninkontinenz, mit einem Body Mass Index über 25 oder einer Gewichtszunahme von mehr als 25 Kilogramm in der Schwangerschaft, mit einem Schwangerschaftsdiabetes oder mit einem geschätzten kindlichen Geburtsgewicht von über 3.900 Gramm, vielleicht noch mit entsprechender Familienanamnese umfassend aufklären und ganz individuell beraten.

Muss die Inkontinenz nach einer Geburt immer behandelt werden oder bildet sich die von selbst wieder zurück?

Viele Frauen, die nach einer Geburt unter einer Inkontinenz leiden, suchen keine medizinische Hilfe. Die Gründe sind vielfältig: keine Zeit, Scham, kein geeigneter Ansprechpartner oder die Annahme, das sei normal und würde sich nach einer gewissen Zeit schon wieder geben. 

Das ist fatal, denn Studien zeigen, oft bleibt die Inkontinenz nicht nur, sondern wird mit den Jahren sogar immer stärker. Aber selbst wenn sich die Inkontinenz zunächst rasch wieder bessert, so kommt es häufig nach Jahrzehnten zur erneuten Inkontinenz, meist verbunden mit einer Senkung der Blase, der Genitalorgane oder des Darms.

Wenn also Wöchnerinnen meinen, dass sie ihre Inkontinenz nicht behandelt haben wollen, muss man darüber aufklären, dass dies zwar nicht lebensnotwendig ist, aber dass die Inkontinenz mit großer Wahrscheinlichkeit zunimmt und man später mit weitaus schlechteren Behandlungsergebnissen rechnen muss.

Was kann man tun bei einer Inkontinenz nach der Geburt?

Zunächst einmal sollten Frauen das Problem bei ihrer Gynäkologin oder der Hebamme ansprechen. Falsche Scham ist hier unangebracht, denn in vielen Fällen kann frühzeitig und erfolgreich behandelt werden.

Beckenbodentraining ist immer noch das Mittel der Wahl. Allerdings gibt es Besonderheiten zu beachten. Die Muskeln, Faszien und Bänder des Beckenbodens werden durch die Schwangerschaft und vor allem die Geburt extrem gedehnt. Diese frisch überdehnten Strukturen sollen keinesfalls zu früh trainiert werden. Dadurch kann eine Harninkontinenz sogar noch verstärkt werden. 

Frühestens nach sechs Wochen darf mit einem gezielten Beckenbodentraining begonnen werden. Aber das sollte man unter einer professionellen Anleitung tun. Die typischen Kurse in der Gruppe sind für Frauen mit Symptomen nicht ausreichend. Viele Frauen müssen nämlich erst einmal lernen, ihren Beckenboden überhaupt wahrzunehmen. Erst dann kann er bewusst an- und wieder entspannt werden. 

Unter Anleitung können auch Scheidengewichte, Biofeedbackverfahren oder Stromimpulsgeräte unterstützend zur Anwendung kommen. Es gibt es auch spezielle Pessare aus Silikon, die nach der Entbindung in die Scheide eingesetzt werden. Handhabung und Gebrauch sind für Frauen ganz leicht erlernbar. Diese Pessare entlasten und stabilisieren den Beckenboden und schienen die überdehnten Bandstrukturen, fast wie ein Sport-BH für den Beckenboden. So kann der Beckenboden regenerieren und danach gezielt trainiert werden.

Medikamente oder gar operative Eingriffe, wie sie in fortgeschrittenen Fällen durchaus infrage kommen, sind in der Wochenbettphase nur extrem selten erforderlich.

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