«Bei meinem Mann trat eine Schwellung in der Leiste auf, er hat Schmerzen. Der Hausarzt hat einen Leistenbruch festgestellt und ihn zur Operation angemeldet. Muss das denn unbedingt sein? Der Chirurg will ein künstliches Netz einsetzen. Kann man darauf verzichten?» Karin M., 73 Jahre

Norbert Runkel antwortet:

Etwa jeder zehnte Mann entwickelt in seinem Leben einen Leistenbruch, oftmals auf beiden Seiten. Kleine Bruchpforten sind besonders schmerzhaft, aber schwierig in der Diagnosefindung. Grosse Bruchpforten sind weniger schmerzhaft, aber risikoreicher. Seit Jahrzehnten gilt der Grundsatz, dass Leistenbrüche mit der Diagnosestellung operativ repariert werden sollten. Das gilt nur dann nicht, wenn sie keine Beschwerden bereiten und wenn deren Einklemmungsgefahr gering ist - was von Bruchpforte, Bruchgrösse und Bruchinhalt abhängig ist. Die Beurteilung verlangt eine grosse klinische Erfahrung und Kenntnisse im Ultraschall der Leiste. Das «Watchful Waiting» ist also eher eine Ausnahme als die Regel. Aber es hilft dabei, einen für den Patienten optimalen Operations-Zeitpunkt auszuwählen.

Künstliche Netze haben sich für die operative Reparatur in den letzten 25 Jahren weltweit durchgesetzt. Netze können über einen Leistenschnitt (offen) oder minimal-invasiv (laparoskopisch oder endoskopisch) eingesetzt werden. Die «total extraperitoneale Hernioplastik (TEP)» gilt bei den meisten Experten als die beste minimalinvasive Technik, mit der die Vollbelastung schon nach wenigen Tagen wieder erreicht werden kann. So wundert es nicht, dass dieses moderne Verfahren von den meisten Chirurginnen und Chirurgen bevorzugt wird. Das hat aber den Nachteil, dass die Erfahrung mit den offenen Reparaturen schwindet und dass die klassischen Methoden ohne Netzimplantation in Vergessenheit geraten. Dabei gibt es auch für diese in bestimmten Situationen gute Gründe. Und schliesslich wünschen manche Patienten kein Fremdmaterial in der Leiste und müssen dann lange nach einem erfahrenen «alten» Chirurgen suchen. Im AMEOS Spital Einsiedeln wird der Patientenwunsch nach modernen wie auch nach traditionellen Operationsmethoden respektiert und erfüllt.

Prof. Dr. med.

Norbert Runkel

Chefarzt der Klinik für Chirurgie